Jacob Isaak Wolff

Veröffentlicht: 12. März 2010 von westermayer in Verlegung

Jacob Isaak WOLFF
geboren am 15. März 1887 in Aurich

Straße: Große Mühlenwallstr. 36 (früher: Ostertorplatz 13)
Todesdatum: Deportation nach Minsk 17. November 1941
Todesort: unbekannt

Jacob Isaak Wolff 1939, Foto der Kennkarte, NLA Aurich

Jacob Isaak Wolff wird am 15. März 1887 in Aurich geboren. Er ist der dritte von sieben Söhnen des Schlachters Isaak Abraham Wolff (19.03.1848 in Aurich – 28.04.1933 in Aurich) und dessen Frau Regina, geb. Schulenklopper (26.05.1853 in Norden – 14.05.1936).

Jacobs Brüder heißen
Abraham *7.07.1883 Flucht nach Argentinien
Joseph *14.04.1985 überlebt, New York
David Isaak *13.05.1889 +19.02.1942 Auschwitz (Stolperstein)
Levy *28.05.1892 +15.03.1979 Nahariyya, Israel
Siegfried *4.09.1894    überlebt
Wilhelm *20.08.1899 +23.07.1984 Argentinien

Jacobs Mutter Regina stammt aus Norden, sie ist die Tochter des Kaufmanns Joseph Hartog Schulenklopper und dessen Frau Rosette.  Sie hat 10 Geschwister. 1901 ziehen die Eltern von Jacob nach Norden, wohl zu den Großeltern, der Grund hierfür ist unklar. Erst 1919, im Alter von 32 Jahren, kehrt Jacob nach Aurich zurück. Er ist beruflich nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten, sondern wird wie sein Großvater mütterlicherseits Kaufmann.

Gemeinsam mit seinem Bruder David führt er einen kleinen Betrieb am Ostertorplatz Nr. 14. Das Haus kauften sie 1919 für 45.000 RM wobei man aber nicht sagen kann, dass das Haus auch so viel Wert war, da im Jahre 1919 die Inflation begann und das Geld einen hohen Wertverlust erlitt. Das Geschäftshaus in der unteren Etage hatte eine Grundfläche von ca.  100m², die Wohnung im Obergeschoss hatte ca. 60m² Wohnfläche. Das Textilhaus lag in einer Straße mit der besten Stadtlage und die Brüder waren häufig auf Märkten mit einem Stand vertreten. Irgendwann im Laufe der Jahre stieg Siegfried Wolff aus der Firma aus. Im Jahre 1938 beauftragten die Gebrüder David und Jakob Wolff einen Auktionator mit dem Verkauf des Hauses. Der Grund des angeblich freiwilligen Verkaufes war die Finanzierung einer Auswanderung ins Ausland von.
Daraufhin meldeten sich einige Interessenten, die allerdings erst von der Industrie- und Handelskammer überprüft werden musste, ob sie dazu berechtigt sind ein Manufakturwaren- und Fertigkleidungsgeschäft zu leiten.
In der Reichspogromnacht wurde das Geschäft zerstört und geplündert. Das Warenlager hatte zu der Zeit einen Wert von 40.000RM, das Wohn-und Geschäftshaus hatte einen Wert von 60.000RM. Die Nationalsozialisten brachten die Waren aus dem Lager in ein Zwischenlager im Brems Garten. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die beiden Brüder im Konzentrationslager Sachsenhausen und konnten den Verbleib der Waren und Möbel nicht überwachen. Am 20. Dezember 1938 wurde das Haus an einen Kaufmann aus Haren für 32.000RM verkauft.
Nach Kriegsende wurde in einem Antrag auf Rückerstattung von Vermögen über das Erbe von David und Jakob Wolff verhandelt. Der Bevollmächtigte für das Verfahren war Dr. jur. Anklam, ehemaliger Bürgermeister von Aurich. Antragsteller war der Bruder Abraham Wolff der vor dem Krieg nach Argentinien flüchtet. Durch das Wiedergutmachungsverfahren, wurde das Erbe der Brüder gerecht auf beide Familien aufgeteilt.

Zum Zeitpunkt der Gründung des Geschäftes lebt Jacob Isaak selbst zunächst in der Lindenstraße 12. Dorthin zieht im März 1920 auch Jacobs frisch angetraute Ehefrau Hertha, geb. Löwenstein.

Hertha Löwenstein stammt ursprünglich aus Obernkirchen im Kreis Schaumburg im südlichen Niedersachsen. Sie ist die Tochter des Lehrers Sussmann Löwenstein und dessen Ehefrau Sara. Hertha ist das zweite von insgesamt sechs Kindern des Ehepaares.

Rund ein Jahr nach ihrer Hochzeit bekommen Hertha und Jacob ihr erstes Kind: Am 05. Mai 1921 kommt ihr Sohn Fritz auf die Welt. Fünfeinhalb Jahre später, am 29. Dezember 1926, wird dann Töchterchen Gisela Gertrud geboren. Spätestens ab 1925 scheinen die Geschäfte von Jacob recht gut zu laufen, denn Hertha wird von diesem Zeitpunkt an im Haushalt von Hausmädchen unterstützt. Im Februar 1931 zieht die Familie in das Haus am Ostertorplatz 13 um, möglicherweise, weil die Familie durch die Geburt der kleinen Gisela mehr Platz benötigt.

Ein erster Hinweis darauf, dass die Familie zunehmend unter den Repressalien der Nationalsozialisten zu leiden hat, findet sich 1938: Im April zieht die Familie erneut um, und zwar in das Haus am Ostertorplatz 14, wo sich auch die Geschäftsräume befinden: So konnte Miete gespart werden. Fritz war zu diesem Zeitpunkt zudem bereits ausgezogen. Er hatte Aurich 1936 im Alter von fast 15 Jahren verlassen und war für ein dreiviertel Jahr nach Frankfurt am Main gezogen, möglicherweise, um eine Ausbildung zu beginnen. Nach seiner Rückkehr nach Aurich lebt er für rund drei Monate wieder hier, bevor er Ende April 1937 endgültig Ostfriesland verlässt und in die Niederlande emigriert. Er ist dort zunächst in Rotterdam und später in Leeuwarden gemeldet. Unklar ist, ob der sechzehnjährige Fritz ganz allein lebt oder – was wahrscheinlich ist – ob er familiäre Unterstützung hat: Seine Tante Johanna, die ältere Schwester seiner Mutter Hertha, lebt mit ihrem Mann bereits seit längerem in den Niederlanden.

In Deutschland indes werden die Schikanen der Nationalsozialisten immer schlimmer. Am 9. November 1938 wird in der Pogromnacht die Auricher Synagoge niedergebrannt und alle jüdischen Männer werden verhaftet. Auch Jacob wird zur Auricher „Bullenhalle“ an der Emder Straße getrieben und dort die ganze Nacht über schikaniert: Er und die übrigen Verhafteten müssen unter dem Gejohle der Zuschauer beten, religiöse Lieder singen und Exerzierübungen machen. Auch am nächsten Tag wird dies fortgeführt: Die Männer müssen zum Ellernfeld laufen, wo eine Sportanlage gebaut werden soll, und dort beispielsweise Sand von einer Seite des Platzes auf die andere bringen. Überlebende des Holocausts berichten später, vor dem aufgeschütteten Sandhügel Todesängste ausgestanden zu haben: Die Verhafteten fürchteten, an diesem Tag auf dem Ellernfeld erschossen zu werden. Doch die Männer werden am Abend schließlich im Auricher Gefängnis eingesperrt, wo sie nun auch zum ersten Mal seit ihrer Verhaftung etwas zu essen und zu trinken bekommen. Am nächsten Morgen werden Jacob und die übrigen Männer zunächst nach Oldenburg und dann in das KZ Sachsenhausen bei Hamburg gebracht. Ziel der Maßnahme ist es, die letzten noch arbeitenden jüdischen Unternehmen zu ruinieren.

Jacob ist bis zum 15. Dezember 1938 in Sachsenhausen unter schlimmsten Bedingungen interniert, denn die Versorgung mit Kleidung und Essen ist nur unzureichend und geheizt wird trotz des schlechten Wetters fast gar nicht. Gleichzeitig sind die Gefangenen immer wieder der Gewalt der Aufseher ausgesetzt.

Die Ereignisse im Herbst/Winter 1938 müssen bei Jacob und Hertha zu dem Entschluss geführt haben, auch ihre Tochter schnellstmöglich ins Ausland in Sicherheit zu bringen – auch wenn Gisela gerade erst zwölf Jahre alt geworden war. Im März 1939 verlässt daher auch Gisela Aurich und geht wie ihr Bruder nach Rotterdam. Wie oft sich die Geschwister noch sehen konnten, ist jedoch unklar, denn Gisela ist unter einer anderen Adresse gemeldet und zieht schon nach wenigen Monaten von Rotterdam nach Groningen um und lebt schließlich in Winschoten.

Am gleichen Tag, an dem Gisela Aurich verlässt, beziehen Jacob und Hertha ihre letzte Wohnung in Aurich in der Marktstraße 25, denn das Geschäftshaus, in dem sie bisher lebten, musste verkauft werden. Im Februar 1940 ziehen schließlich auch Jacob und Hertha fort, sie melden sich nach Bremen ab. Hier verliert sich scheinbar ihre Spur. Einen letzten Hinweis liefert eine Polizeiauskunft aus dem Jahre 1950: Darin heißt es, beide seien am 17. November 1941 aus Bremen „evakuiert“ worden. Weitere Recherchen ergaben, dass am 17. November 1941 tatsächlich Juden aus Bremen verhaftet und auf dem Schulhof des „Gymnasiums am Barkhof“ festgehalten wurden, die dann am nächsten Morgen mit einem Zug über Hamburg nach Minsk in Weißrussland deportiert wurden. Hier verliert sich die Spur der Eheleute, ihre Verwandten haben nie wieder etwas von ihnen gehört. Am 28. August 1951 werden Jacob und Hertha für tot erklärt.

Auch ihre Kinder Fritz und Gisela überleben den Holocaust nicht: Beide werden schließlich im Lager Westerbork interniert und von dort aus deportiert.

Fritz wurde am 24. August 1942 nach Auschwitz verbracht, laut den Totenbüchern von Auschwitz starb er am 7. September 1942 im Alter von einundzwanzig Jahren.

Gisela wurde am 17. März 1943 von Westerbork aus nach Sobibor deportiert und dort am 20. März vergast. Sie wurde sechzehn Jahre alt.

Recherche: Dr. Sandra Weferling
Eingabe: Hans Jürgen Westermayer
(Stand 12.03.2020)
Foto: Foto der Kennkarte 1939, NLA Aurich
Opfergruppe: Juden
Quellen: NLA Aurich Rep. 34c, Nr. 1203/1+2

Rep. 248, Nr. 94, 947  / Rep. 107, Nr. 1415 / Rep. 34c, Ne. 186a und 1069 /Rep. 85/V, Nr. 1/2 /Rep. 121, Nr. 1735

https://www.geni.com/people/Jacob-Wolff/6000000009297695151

Literatur:
Patenschaft: Gymnasium Ulricianum Aurich
Verlegetermin: 23. Oktober  2017

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